Zweiter Frühling für liegenden Knaben
„Liegender Knabe“ bei Michael Saft Spezialbau GmbH in „Behandlung“
/ Neuer Standort der Figur künftig im Kurpark?
Cuxhaven. Seinen angestammten Platz im Grünen vor dem Wohnkomplex in der Lisztstraße hat er schon vor einigen Wochen verlassen, aber er ist in bester Obhut – der „Liegende Knabe“. Und zwar in der Werkstatt von Michael Saft Spezialbau GmbH in Nordholz. Dort nämlich wird Franz Rotters Plastik vor dem drohenden Auseinanderbrechen gerettet und für die nächsten Jahrzehnte wieder „fit“ gemacht, sodass ihr der Zahn der Zeit nichts mehr anhaben kann. Denn der hatte kräftig an dem Kunstwerk genagt. Der Körper aus Beton wies deutliche Risse auf, in denen sich im Laufe des jahrzehntelangen Lebens der Skulptur Moos und Algen abgesetzt hatten und immer tiefer einzudringen drohten.
Für den Fachmann deutliche Zeichen, dass es allerhöchste Zeit war zu handeln, wenn das Kunstwerk noch gerettet werden sollte. Und es sollte! Darüber waren sich alle an der Rettungsaktion Beteiligten sehr schnell einig. Hans Jürgen Ottow, der einst zu der von Rotter trainierten Hockeyjugend des Schwarz Weiß gehört hatte, hatte die Schäden an der Skulptur bei einem Spaziergang entdeckt und sie sich genau angesehen. Michael Saft mit seinem in Nordholz ansässigen international tätigen Spezialbau war ihm dann sofort eingefallen. Der könnte mit seinem Fachwissen und seinen spezialtechnischen Möglichkeiten die Schäden auf Dauer beheben, hatte sich Ottow gesagt. Die Suche nach Mitstreitern begann. Beim Lions Club Cuxhaven, den der Bildhauer Franz Rotter im September 1957 mitgegründet hat, traf er auf offene Ohren. Klar, dass man bei dieser Rettungsaktion maßgeblich mit dabei sein würde.
Hans Jürgen Ottow selbst bat dann anlässlich seines 85. Geburtstages Anfang März seine Gäste, auf Geschenke zu verzichten und stattdessen für den Erhalt der Skulptur zu spenden.
Aufwendiger Prozess
„An ihm nagt der Zahn der Zeit“ – so hatte der Titel des am 21. Dezember 2019 in den CN/NEZ erschienenen Artikels über den „Liegenden Knaben“ gelautet. Damit war das Thema auch für die Öffentlichkeit auf dem Tisch.
Ein erstes Gespräch mit Fachmann Michael Saft, an dem neben dem Initiator Ottow auch Dr. Albrecht Biessmann für den Lions Club teilnahm, gab es bereits wenige Wochen nach Erscheinen des Zeitungsartikels. Dabei erläuterte Saft die Vorgehensweise zur Rettung der Figur vor dem Auseinanderbrechen, den aufwendigen Prozess der Reinigung und Abdichtung der Risse sowie die Beschichtung und Behandlung der Oberfläche. Und gab die Zusage, die Materialkosten zu übernehmen. Und noch eins konnte der Fachmann zusagen: Die neue „Haut“ der Figur, angeglichen an die für
Rotter so charakteristischen BronzePlastiken, würde auf jeden Fall von Dauer sein.
Franz Rotters „Liegender Knabe“ von 1962/63 entstand in jenen Jahren, als allerorten noch „Kunst am Bau“ angesagt, per Gesetz vorgeschrieben war.
Was nicht mehr und nicht weniger bedeutete, als dass ein bestimmter Prozentsatz der Bausumme für Kunstwerke verwendet werden musste. Eine Existenzsicherung für jeden Künstler, der damals einen solchen Auftrag bekam. So war auch der inmitten einer Grünfläche auf einem Steinsockel platzierte „Liegende Knabe“ Teil eines großen Wohnkomplexes am Wendeplatz der Lisztstraße. Deren Besitzer hat im Laufe der Jahrzehnte gewechselt und mit ihm auch der Besitzer der Rotter Plastik. Ihn galt es nun aufzuspüren und um Zustimmung für die geplante Aktion zu bitten.
In einem Schreiben vom 18. Februar 2020 an Hans Jürgen Ottow hat er zugestimmt, dass Franz Rotters „Liegender Knabe“ „von der als Verankerung dienenden Betonschicht gelöst, zwecks Sanierung abtransportiert und anschließend an einem publikumswirksamen Standort aufgestellt werden kann“. Denn angesichts der eher versteckten Lage in der kleinen Seitenstraße hatten sich die Initiatoren die Frage gestellt, ob es nicht einen besseren Platz für die Skulptur gebe. Zwar findet sich in nächster Nähe noch eine weitere Plastik von Franz Rotter, und zwar der vier Jahre später, 1966, geschaffenen „Faun“ an der Ecke Haydn/Lisztstraße – doch der ist im Gegensatz zu dem „Liegenden Knaben“ sehr viel mehr im Blick der Vorübergehenden und fahrenden.
Platz im Kurpark möglich
Eine Frage, die es also noch zu klären gilt. Sicher wird es unterschiedliche Meinungen geben. Die einen möchten ihn wieder zurück am ursprünglichen Ort haben, die anderen doch lieber an einem Ort, wo er von vielen Leuten gesehen wird. Und da kommt der Kurpark in Döse ins Gespräch, nicht zuletzt, weil dort bereits Rotters „Krabbenfischer“ und der „Schipperjunge auf dem Seelöwen“ (früher an der Stadtsparkasse) ihren Platz haben. Ein Ortstermin mit Kurdirektor Erwin Krewenka ist in Aussicht genommen. Wann der allerdings sein wird, lässt sich in diesen Zeiten der CoronavirusPandemie natürlich nicht sagen. Zur „Behandlung“ bei Michael Saft Spezialbau GmbH in Nordholz: Franz Rotters Skulptur „Liegender Knabe“. Die Rettungsarbeiten können beginnen, wie Michael Saft (rechts) Initiator HansJürgen Ottow erläutert.
Foto: Cordes
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